Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 10.12.2018 12:00

Geburtshilfe: Der Protest wird stürmischer

An die 150 Bürger waren zur Kundgebung gekommen. Darunter Vertreter des Bündnisses aus SPD, den Jusos, der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), den Grünen, der ÖDP, der CSU und dem Deutschen Hebammenverband sowie Mütter und Schwangere. Auf Postkarten formulierten sie ihre Wünsche - ob das Christkind sie erfüllen kann, steht auf einem anderen Blatt. „Bringe den gebärenden Frauen den Kreißsaal nach Aichach. Die Politik kann es nicht”, stand auf einer der Karten.

Applaus gab es für die Redner. Für Kristina Kolb-Djoka beispielsweise. Die AsF-Vorsitzende erinnerte an ihre bereits 2017 durchgeführte Unterschriftensammlung. 300 wurden damals an die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml übergeben. Schon damals habe sie Unterstützung für die prekäre Situation der Hebammen zugesagt. „Damals waren wir Frauen aber noch zu leise, haben nicht laut genug gesprochen”, so Kolb-Djoka. Das soll nun offensichtlich nicht mehr passieren.

Helmut Beck, Kreisrat, CSU-Fraktionschef im Aichacher Stadtrat und Zweiter Bürgermeister, machte keinen Hehl aus seiner Verärgerung und forderte eine umgehende, gemeinsame Lösung mit den Gynäkologen und den Hebammen. Heute kommt Melanie Huml zu einem internen Gespräch mit Landrat Klaus Metzger, Klinikchef Krzysztof Kazmierczak und CSU-Landtagsabgeordnetem Peter Tomaschko ins Wittelsbacher Land. „Dabei erwarte ich, dass Lösungsvorschläge eingefordert werden”, so Beck mit Blick auf seine Parteikollegen.

Noch deutlicher wurde Pia Petrovic, Kreissprecherin des Hebammenverbandes, die ein besseres finanzielles Angebot einforderte. Es gehe den Hebammen nicht um Topverdienste, es gehe um ein Angebot, „von dem sich leben lässt”. Das sei doch nicht zu viel verlangt, erklärte Petrovic unter dem Applaus der Zuhörer. Die vom Landkreis erst kürzlich präsentierten 40 Euro Prämie pro Geburt waren den Hebammen offensichtlich bei weitem zu wenig. „Das sind umgerechnet 1,50 Euro pro Stunde. Die helfen uns nicht aus der Patsche.” Zudem kam das Angebot wohl auch zu spät. Der Landkreis hatte mit dem Antikorruptionsgesetz argumentiert (wir berichteten mehrfach), Pia Petrovic sprach nun davon, man habe sich monatelang hinter diesem Gesetz versteckt. Sie hoffe, dass die Klinikleitung und der Landkreis nun einen weiteren Schritt gehen. Immerhin kamen zuletzt bis zu 400 Kinder in Aichach auf die Welt, „die verteilen sich nicht einfach so”.

Der Verweis auf die fehlende Kinderklinik gelte dabei nicht. „80 Prozent der Geburten verlaufen absolut problemlos”, so die Hebammen-Sprecherin, die sich ärgert, dass die Schuld für das Aus der Geburtshilfe immer wieder den Beleghebammen zugeschoben werde, weil sie gekündigt haben. „Kolleginnen, die 15 bis 20 Jahre in Aichach gearbeitet haben, schmeißen nicht einfach hin, dafür gab es zahlreiche Gründe.”

Die große Politik „ermunterte” Bürgermeister Klaus Habermann dazu, die vorhandenen strukturellen Probleme zu lösen. Die Aichacher rief er dazu auf, im Protest nicht nachzulassen, auch wenn es sehr ungewöhnlich sei, dass eine Stadt Unterschriften sammle. Weit über 5000 sind bereits zusammengekommen, „täglich kommen Hunderte dazu”. Eine Kreisstadt brauche einen Kreißsaal. Die jetzige Situation habe nichts mehr mit einer wohnortnahen Versorgung zu tun.

Das fand auch ein Zuhörer, der vor Ort eine Protestkarte ausfüllte: „Eine Kreisstadt ohne Kreißsaal ist wie eine Gesundheitsbehörde ohne Gesundheit.” „Kolleginnen, die 15 bis 20 Jahre in Aichach gearbeitet haben, schmeißen nicht einfach hin”


Von Robert Edler
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