Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 08.12.2018 12:00

In 84 Tagen um die Welt: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Flugreise

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Vorneweg muss gesagt werden: Was nach einem verrückten, spannenden Abenteuerurlaub klingt, ist harte Arbeit. „Meistens haben wir Routen berechnet und viel geplant”, sagt Sven Walter. An einem Couchtisch in einem Aufenthaltsraum am Augsburger Flughafen sitzen er und Johannes „Hans” Peter. Vor ihnen steht eine Drei-Liter-Flasche Bier. Ein Geschenk des Airports an die Abenteurer. Lange wird sie beäugt, bleibt aber ungeöffnet, solange die Presse im Raum ist.

Etwa 20 Minuten vorher sind die beiden gelandet. Eigentlich darf niemand aufs Rollfeld - heute macht die Flughafensicherheit allerdings eine Ausnahme. Im Kleinbus geht es zu einem der Hangars. Hier steht Peters Cessna 350. Walter, Peter und zwei weitere Männer schieben den Vogel in die riesige Garage.

Der Besitzer des kleinen Flugzeugs trägt ein breites Grinsen im Gesicht. „Wollen Sie sich mal reinsetzen?”, fragt Hans Peter. Das Cockpit ist klein, keine zwei Meter misst es in der Breite. Zwei hölzerne Steuerknüppel - einer an jeder Seite - zwei Monitore und ein Tablet-Computer füllen die Front des Cockpits aus. Zwei große Blenden schirmen das Sonnenlicht ab. Eigentlich haben vier Personen in der Cessna Platz. Die Rückbank gibt es allerdings nicht mehr. „Wir haben Platz für den Zusatztank gebraucht”, erklärt Peter. Auf der linken Tragfläche neben dem Cockpit steht er und hält sich an einer der Flügeltüren fest, die wie beim Mercedes 300 SL nach oben klappen.

Wenn man hört, wie weit die Cessna geflogen ist, wird klar, dass der Zusatztank mit seinen 260 Litern Fassungsvermögen bitter nötig war. „Zwölf Stunden und 38 Minuten hat der längste Flug gedauert”, sagt Peter. Er spricht von der Etappe zwischen den Osterinseln und Chile. Das sind über 3500 Kilometer. Auf einer geschätzten Cockpitfläche von 1,5 Quadratmetern grenzt allein dieses Vorhaben an Wahnsinn. Insgesamt verbrachten die Piloten aber 200 Stunden im kleinen Cockpit.

Das erfordert Disziplin. „Ein Klo ist nämlich auch nicht an Bord”, ergänzt Sven Walter. Der ist Jurist und stammt aus Kiel. Die zwei kennen sich erst seit Juli. Übers Internet hatte Peter nach einem Co-Piloten für sein Vorhaben gesucht. In Sven Walter hat er ihn gefunden. Mit 44 Jahren ist der Schleswig-Holsteiner wesentlich jünger als der 60-jährige Oberbayer. Von Walters amerikanischem Berufspilotenschein profitierten letztlich beide. Denn die Verständigung mit den verschiedenen Kulturen und „deren bürokratischen Vorstellungen”, das machen die beiden Piloten im Gespräch klar, wäre dem Amateurflieger nur schwer möglich gewesen. Johannes Peter fliegt seit 2001, allerdings mit einem Privatpilotenschein und ohne den sogenannten Instrumentenschein, der in der internationalen Fliegerei nötig ist. In den vergangenen 35 Jahren hat er eine Elektrofirma in Sigmertshausen bei Röhrmoos im Landkreis Dachau aufgebaut und sich vor etwa zehn Jahren mit dem Kauf der Cessna einen Traum erfüllt. „Er gehört zu den besten Piloten, die ich kenne”, sagt Sven Walter über seinen Compagnon. Über den Südpazifik hatten die beiden einige Hürden zu meistern. Auf den Fidschi-Inseln hatten die beiden drei Tage lang Hotelarrest, weil sie angeblich keine Landeerlaubnis hätten vorweisen können. „Wir waren sehr stur. Schon Monate vorher hatten wir alle Reisedaten in einem Flugplan gesammelt und an die einzelnen Behörden in jedem Land verschickt”, sagt Sven Walter. „Und dann haben sie uns 80 Euro für ein Insektenspray zur Desinfektion der Cessna abgeknöpft”, sagt Walter. „Das war alles andere als lustig”, meinen die beiden unisono.

Erst die angehende deutsche Honorarkonsulin auf den Fidschis, Monika Oldenburg, hätte vermittelt. „Und dann wollten sie beim Abflug auch noch Geld”, berichtet Peter. Dafür hätten allerdings acht Musiker mit ihren Ukulelen gespielt. Ähnlich teuer habe sich der Anflug auf Bali gestaltet. „Alle reden dich mit Sir oder Captain an”, erinnert sich Sven Walter. Man sei wie der Pilot eines Luxusjets behandelt worden - hätte aber auch wie ein solcher für den Stellplatz bezahlt. Teilweise 13 Euro pro Stunde kostete ein Stellplatz für die Cessna. „Der A 380 hätte das selbe bezahlt”, sagt Johannes Peter. Angenehmer für den Geldbeutel, wenn auch nicht weniger bizarr, ist den beiden Globetrottern der Anflug auf eine unbekannte Pazifikinsel in Erinnerung geblieben.

Mangareva heißt die Inselgruppe in Französisch-Polynesien. „Auf einem Atoll war nur eine Rollbahn, geschlafen haben wir dann auf einer Nachbarinsel”, erzählt Sven Walter. Und am Flugplatz beziehungsweise auf der Insel habe genau ein Mann gesessen. „Und der fertigt im Jahr vielleicht 20 Flugzeuge ab”, vermuten die beiden Piloten. In Bahrain am Persischen Golf bezahlten sie fünf Dollar pro Liter Treibstoff, in Ägypten betankten Soldaten die Cessna. Und auf den zu Chile gehörenden Osterinseln konnten die Landungsboote, die Flugzeugsprit von draußen ankernden Schiffen einlieferten, nicht anlegen. „Hans ist den ganzen Tag die Promenade auf und ab gelaufen, immer mit Blick auf die Schiffe auf dem offenen Meer”, erinnert sich Walter.

Inzwischen sind auch Verwandte und Bekannte von Hans Peter im Crewraum auf dem Augsburger Flugplatz eingetroffen. Sie fallen dem Weltreisenden um den Hals. Peters Frau Hermine und sein Enkel Jakob, die bereits am Rollfeld gewartet hatten, stoßen ebenfalls dazu. Ob Peter und Walter demnächst wieder auf die Reise gehen? „Das muss jetzt erst mal reichen”, meint Hermine Peter. „Immerhin waren sie jetzt fast drei Monate lang weg”, sagt sie. Davon abgesehen ist ein solches Unternehmen teuer. Beide gehen von einem hohen fünfstelligen Betrag aus. Etwa 8000 Liter Treibstoff verflogen sie bei dieser weltumspannenden Herausforderung. „Aber die Cessna ist sparsam”, meint Sven Walter. Im Schnitt flog sie mit einer Geschwindigkeit von 320 Stundenkilometern. Doch den Spritverbrauch werde Peter ausgleichen. In seinem Wald sorge er für Nachhaltigkeit, sagt Sven Walter.

28 000 nautische Meilen mehr liegen nach der Erdumrundung hinter dem elf Jahre alten Flugzeug. Das sind über 45 000 Kilometer, auf denen die beiden Piloten über den Balkan und Indochina bis nach Australien flogen. Von dort aus hüpften sie von Insel zu Insel, um über Südamerika weiter nach Senegal in Westafrika zu fliegen.

„Das wirklich Bemerkenswerte ist”, sagt Walter, wie ein Dreieinhalb-Stunden-Flug „auf einmal zur Lappalie wird”. Am Mittwochvormittag starteten die beiden nämlich das letzte Mal: in Südfrankreich.


Von Bastian Brummer
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