Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 16.11.2018 12:00

Von alten Burgen, radikalen Reformatoren und grauen Gänsen

Autoren und Redaktionsteam   des 17. Bandes von „Altbayern in Schwaben” bei der Präsentation des Buches. Hinten von links: Verena Gawert, Prof. Dr. Klaus Wolf, Wolfgang Brandner, Dr. Barbara Kink, Dr. Franz Josef Merkl, Gestalter Peter Seiler. Vorne von links: Michael Schmidberger, Landrat Dr. Klaus Metzger, Gabriele Raab und Georg Großhauser. 	Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Autoren und Redaktionsteam des 17. Bandes von „Altbayern in Schwaben” bei der Präsentation des Buches. Hinten von links: Verena Gawert, Prof. Dr. Klaus Wolf, Wolfgang Brandner, Dr. Barbara Kink, Dr. Franz Josef Merkl, Gestalter Peter Seiler. Vorne von links: Michael Schmidberger, Landrat Dr. Klaus Metzger, Gabriele Raab und Georg Großhauser. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Autoren und Redaktionsteam des 17. Bandes von „Altbayern in Schwaben” bei der Präsentation des Buches. Hinten von links: Verena Gawert, Prof. Dr. Klaus Wolf, Wolfgang Brandner, Dr. Barbara Kink, Dr. Franz Josef Merkl, Gestalter Peter Seiler. Vorne von links: Michael Schmidberger, Landrat Dr. Klaus Metzger, Gabriele Raab und Georg Großhauser. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Autoren und Redaktionsteam des 17. Bandes von „Altbayern in Schwaben” bei der Präsentation des Buches. Hinten von links: Verena Gawert, Prof. Dr. Klaus Wolf, Wolfgang Brandner, Dr. Barbara Kink, Dr. Franz Josef Merkl, Gestalter Peter Seiler. Vorne von links: Michael Schmidberger, Landrat Dr. Klaus Metzger, Gabriele Raab und Georg Großhauser. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Autoren und Redaktionsteam des 17. Bandes von „Altbayern in Schwaben” bei der Präsentation des Buches. Hinten von links: Verena Gawert, Prof. Dr. Klaus Wolf, Wolfgang Brandner, Dr. Barbara Kink, Dr. Franz Josef Merkl, Gestalter Peter Seiler. Vorne von links: Michael Schmidberger, Landrat Dr. Klaus Metzger, Gabriele Raab und Georg Großhauser. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)

Bei aller Vielfalt gibt es aber einen thematischen Schwerpunkt: Vier Aufsätze befassen sich mit der Reformationszeit und der Konfessionsgeschichte im Landkreis. Die Beiträge gehen zurück auf den Wittelsbacher Heimattag 2017, der sich anlässlich des Jubiläums von 500 Jahren Reformation mit dem Thema beschäftigte.

Im frühen 16. Jahrhundert entstanden im Umfeld der Reformation eine ganze Reihe von reformatorischen Bewegungen und Gruppen, theologisch teilweise weit weg von Luther und den anderen Reformatoren, teilweise sozialreformerisch und „links”, teilweise radikal und brutal wie das berühmt-berüchtigte Täuferreich in Münster.

Mit diesem Flügel, den Täufern im Landkreis Aichach-Friedberg, beschäftigt sich der grundlegende Aufsatz der Fürstenfeldbrucker Historikerin Dr. Barbara Kink. Die Region um Augsburg war zwischen 1525 und 1550 eines der Zentren der Täuferbewegung in Deutschland. Quellenkundig wurden 26 Täufer im heutigen Landkreis, sieben davon wurden nach Folter hingerichtet, die anderen flohen oder mussten ihre Heimat verlassen.

Mit einem Wiedertäufer aus Friedberg, dem Professor, Prediger und „Demagogen” Balthasar Hubmaier, beschäftigt sich der aus Aichach stammende und an der Universität Augsburg lehrende Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Wolf.

Die Wiedertäufer seien die radikalste Gruppe innerhalb der Reformatoren gewesen, „sozusagen der IS der Reformation”, wie er es am Rand der Buchvorstellung sehr plastisch darstellte. Hubmaier war ein Antisemit, der gegen die Juden hetzte und beispielsweise in Regensburg ihre Vertreibung forderte. Kaiser Maximilian I. sei sehr erzürnt über den Hetzer gewesen, „beim einfachen Volk kam das aber gut an, weil man einen Sündenbock für die seit dem 15. Jahrhundert schwelende Regensburger Wirtschaftskrise brauchte”, wie Wolf schreibt.

Einer erstaunlichen Persönlichkeit aus dem Wittelsbacher Land spürt Verena Gawert nach: dem aus Stotzard stammenden Reformator Caspar Huberinus, der unter anderem in der Grafschaft Hohenlohe wirkte und dessen Schriften im 16. Jahrhundert eine höhere Auflage als die aller anderen Reformatoren einschließlich Luther hatten.

Nicht mehr in die Konfessionszeit gehört Ignaz Lindl. Das Leben und Wirken des durchaus unkonventionellen Priesters, vor allem seine Zeit in Baindlkirch, beschreibt Dr. Hubert Raab in seinem Aufsatz. Auf Initiative Lindls entstanden in dem kleinen Ort unter anderem die heute noch stehende „alte” Schule” und die Kirche. Später geriet Lindl unter den Einfluss pietistischer Erweckungsbewegungen, musste sogar eine Zeit in Augsburg in den Arrest und wirkte zuletzt in Russland.

Mit einem bisher nur wenig beachteten Thema der lokalen Geschichte hat sich Dr. Franz Josef Merkl beschäftigt: Den Schicksalen von Frauen, die während der NS-Zeit in der Strafanstalt Aichach inhaftiert wurden und von denen mehr als 360 nach Auschwitz deportiert wurden. Nicht zuletzt auf Initiative der Grünen im Landkreis, die mehrere Veranstaltungen dazu organisiert haben, rückt dieses Kapitel in letzter Zeit langsam ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Den fundierten und ausführlichen Aufsatz des Historikers Merkl darf man wohl schon jetzt als grundlegend für jede zukünftigen Beschäftigung mit dem Thema bezeichnen.

Weit zurück in der Zeit, bis ins Jahr 1217, geht der Burgenexperte Helmut Rischert in seinem Beitrag über „800 Jahre Schorn”. Darin zeichnet er die Geschichte von Burg, Schloss und Hofmark bei Pöttmes bis in die Gegenwart nach. Seit dem 19. Jahrhundert ist Schorn in Besitz der Freiherren von Herman. Ludwiga von Herman war bei der Vorstellung des Buches im Landratsamt anwesend.

Eine handbuchartige Übersicht über die Laientheaterszene im Landkreis hat Michael Schmidberger, Laienspielberater im Wittelsbacher Land zusammengestellt. Erstaunlich ist dabei nicht nur die große Fülle an Vereinen und Bühnen, sondern auch die relativ große Zahl von Autoren aus der Region, deren Stücke regelmäßig gespielt werden.

Zur guten Tradition von „Altbayern in Schwaben” gehören auch Beiträge zur Naturgeschichte beziehungsweise aus der Tier- und Pflanzenwelt. Der Vogelexperte Gerhard Mayer beschäftigt sich in einem mit vielen faszinierenden Bildern bestückten Text mit den Wildgänsen im Wittelsbacher Land.

Die musikalische Begleitung bei der Buchvorstellung durch die unkonventionelle Volksmusik von „Quetschendatschi” war erfrischend und ebenso hochwertig wie das Buch, das wieder vom Redaktionsteam Wolfgang Brandner, Georg Großhauser, Dr. Hubert Raab und Michael Schmidberger vorbildlich herausgegeben wurde.

Allerdings musste bei der Vorstellung etwas improvisiert werden: Gerhard Mayer und Dr. Hubert Raab waren erkrankt und konnten nicht, wie geplant, kurze Passagen aus ihren Aufsätzen lesen. Gabriele Raab und Wolfgang Brandner sprangen als Leser ein und gaben den Besuchern einen Einblick in des Buch. Mit dem zeige das Wittelsbacher Land einmal mehr und zum 17. Mal, dass es sich im einen „kulturbeflissenen Landkreis” handelt, wie Landrat Dr. Klaus Metzger urteilte.

Der Band „Altbayern in Schwaben 2018”, 194 Seiten, 15,90 Euro, ist erhältlich im Buchhandel oder beim Landratsamt Aichach.


Von Berndt Herrmann
north