Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 29.08.2018 12:00

1000 Fuhren bis zum Anstich: Die Könige der Wiesn

Morgens, 7.30 Uhr in Lindl bei Dasing: Es herbstelt bereits, doch Georg Ankner trägt ein T-Shirt. Es wird ein heißer Tag. An den Paarwiesen, direkt an der Autobahn, ragen vier Lagerhallen in den Himmel. Sie beherbergen eine ganze Stadt.

Fast alle großen Festzelte, die ab dem 22. September mehrere Millionen Besucher fassen werden, lagern in den Hallen der Firma Pletschacher. Dort wartet der 65-jährige Ankner auf seine Ladung. Ungefähr viermal am Tag fährt er mit einem Lastzug von Lindl aus zur Theresienwiese nach München - und zurück. Drei Stunden dauert eine Tour.

An diesem Morgen hieven die Staplerfahrer Bodenelemente auf Ankners Laster. „Die gehören ins Weinzelt”, erklärt Georg Ankner. Es ist die zweite Fuhre, die er an diesem Tag nach München bringt. Sein Arbeitstag beginnt um 5 Uhr morgens.

Doch zum Ratschen bleibt in Lindl nicht viel Zeit. Ankner zurrt die Ladung fest, steigt ein, dreht den Zündschlüssel und die Reise beginnt. Keine Minute dauert es, und der Lastzug fährt auf die A 8.

Mehrere Dutzend Heißluftballons treiben am Himmel, vorbei an den großen Windrädern im Norden, und die Morgensonne gewinnt an Kraft. Die Fahrerkabine ist gemütlich.

Eigentlich ist Georg Ankner seit Jahren in Rente. Doch der ehemals selbstständige Milchfahrer kann es nicht lassen. „Ich mache das jetzt schon ein paar Jahre”, erzählt er. Eine Saison auf der Wiesn wollte er erleben. Jetzt macht ihm der Trubel Spaß.

Tatsächlich sind Ankners vier Tagestouren nur ein kleiner Teil des logistischen Aufwands hinter all dem „Wahnsinn”, wie der Fahrer es nennt. Allein 100 000 Quadratmeter Boden verlegen Pletschachers Mitarbeiter. All das muss nach München. Über 1000 Fuhren werden die A 8 entlang gezogen, bis das Oktoberfest steht.

Und auf der Wiesn wird es von Tag zu Tag enger. Etwa eine Stunde vergeht, und Ankners Pletschacher-Laster passiert die Sicherheitskontrollen an der Einfahrt zur Theresienwiese. Ein Lkw passt noch bequem auf die breiten Wege zwischen den Zelten. Noch enger machen sie die parkenden obligatorischen Porsche Cayennes der Festwirte.

Vor einem weißen Container neben der Ochsenbraterei hält Ankner an. „Da drin sitzt der Uli”, meint er und deutet in Richtung des Containers. „Der Uli”, das ist Ulrich Pletschacher, der zusammen mit seinem Bruder Anton den Aufbau koordiniert. In seinem klimatisierten Containerbüro sitzt er am PC, telefoniert und beantwortet Mails. Immer wieder geht die Tür auf der anderen Seite des Containers auf und zu. Herein kommt ein Techniker des Tüv-Süd: zum dritten Mal in einer Stunde. Er wälzt etwa fünf blaue Prüfbücher. Hinter ihm an der Wand hängt ein Plan für die Ochsenbraterei. In jedem Zelt muss alles sicher sein. Und wenn ein Träger nicht in Ordnung ist? „Dann wird das sofort in Ordnung gebracht”, meint Pletschacher pragmatisch. Auf den Tüv folgt ein Angestellter der Firma Pletschacher. Der braucht 70 Holzkeile. Das Du ist beim Wiesn-Aufbau offensichtlich Pflicht. Ein weiterer Mitarbeiter kommt herein.

Er will den Estrich in eine Küche gießen. Kein Witz: Hier wird jede Küche betoniert, für schlappe zwei Wochen. „Hygienevorschriften”, sagt Pletschacher zähneknirschend. Nach der Wiesn wird der Beton wieder abgebrochen. Ein Anruf genügt, und Pletschacher gibt resolute Anweisungen durch sein Handy. „Morgen fangen sie an, bis dahin muss der Kies fertig sein”, weist er an. „Ich bin der Depp für alles”, sagt Ulrich Pletschacher später über sich selbst. Und das Ganze für etwa zwei Wochen der Extase von Millionen.

Seit dem 16. Juli verbringt Pletschacher jeden Tag in München. Im Container ist er nur sporadisch. Meistens fährt er mit dem Fahrrad über den Platz und sieht nach dem Rechten. Rund 150 Mitarbeiter und diverse Subunternehmer müssen betreut werden. Dass das Wittelsbacher Land auf der Wiesn eine große Rolle spielt, wird bei einem Spaziergang über den Platz schnell klar. An der Kalbsbraterei ist die Zahlinger Firma Haustechnik Fischer am Werk. „Die Küche muss rein, bevor der Boden drauf kommt”, meint Chef Peter Fischer. Zusammen mit seinem Team kümmert er sich um die Hausanschlüsse. Der Kühbacher Zeltverleih Schormair baut selbstständig das Poschner- und in Pletschachers Auftrag das Hofbräuzelt auf. Die Dasinger Firma hat die Subunternehmer nach München geholt. Sie ist für zwölf große Zelte und sieben kleine zuständig. Zehn große gehören ihr selbst. Die Ochsenbraterei ist eines davon. Es wurde vor zwei Jahren in Dasing gebaut.

Repariert und gewartet wird immer. Allein zehn Prozent der Böden werden jährlich ausgewechselt: Das sind 10 000 Quadratmeter.

Auf der „Oidn Wiesn” sind die Dasinger für alle Zelte zuständig. Hinzu kommen etwa sieben kleine Zelte. Lediglich zwei Großzelte, das Augustiner- und das Käfer-Zelt, liegen nicht in Dasinger Hand. Ursprünglich war die Augsburger Firma Deuter für die großen Zelte zuständig. 1999 baute Pletschacher die ersten auf, danach wurden es schnell mehr, wie Ulrich Pletschacher erzählt. Nach einer Tour über den Platz sitzt er erneut im Container. Sein Bruder Anton hat inzwischen neben ihm Platz genommen. Anton „Toni” Pletschacher ist der inoffizielle „König der Wiesn”. Ein Schriftenmaler gab ihm den Titel, indem er ihn auf einen von Pletschachers Gabelstaplern schrieb. Von denen rauschen viele über den Platz. Sattelschlepper werden be- und entladen, Böden müssen noch in die bereits stehenden Zelte.

Der Chef der Stapler-Staffel ist Anton Pletschacher. „Morgens um fünf starte ich den Stapler”, sagt er. Geschlafen wird von 22 bis 4 Uhr, dann beginnt der Wahnsinn von Neuem. Und die Hitze der vergangenen Wochen? Ein wenig kühler hätte es zwar sein können, meint Ulrich Pletschacher. „Aber bei Sonne geht alles besser”, ergänzt er stoisch. Gearbeitet wird übrigens bis zur letzte Minute, am Abend vor dem Bieranstich am 22. September.

Weitere Impressionen vom Wiesn-Aufbau auf Seite 19 dieser Ausgabe. Ohne Wittelsbacher Land keine Wiesn


Von Bastian Brummer
north