Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 14.02.2018 12:00

Wenn der Storch aus Berlin Bairisch spricht

Seit Juli stellen wir mittwochs die Öha-Frage, in der Woche darauf lösen wir sie am Mittwoch auf. Von Anfang an kam das Rätsel bei den Lesern gut an, die Zahl derer, die uns eine Postkarte oder eine Mail mit der Antwort und oft auch mit neuen Vorschlägen schreiben, hat uns überrascht, wenn auch die Zuschriften etwas schwanken - je nachdem wie schwer oder leicht der Ausdruck ist.

Die gute Resonanz ist für unseren Dialekt-Berater, den Altomünsterer Mundart-, Volksmusik- und Brauchtumsexperten Sigi Bradl keine Überraschung. „Mundart liegt seit einiger Zeit im Trend, die Menschen beschäftigten sich mehr mit Heimat und Herkunft, und insgesamt wird der Dialekt wieder mehr geschätzt”, meint Bradl, der als Stellvertretender Vorsitzender des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte an der Aufwertung und Anerkennung von Mundart arbeitet. Mit Erfolg, wie man auch an verschiedenen Aktionen der Politik sieht, die den Dialekt in Kindergarten und Schule fördern wollen.

Wenn Bradl sagt „Mit Mundart erreicht man die Leute”, dann bestätigt sich das auch in den Erfahrungen, die die AZ-Redaktion mit Öha gemacht hat. Denn die Leser schicken nicht nur Antworten und Vorschläge für neue Fragen - mitunter ganze Listen -, sie kommentieren die Begriffe, diskutieren über die Schreibung oder Bedeutungsnuancen, manchmal fügen sie Erinnerungen an oder erzählen kleine Anekdoten. So schrieb, als wir nach der „Nagschdin” fragten, Erna Reiter aus Gundelsdorf, sie sei vor mehr als 50 Jahren Nagschdin, also Brautjungfer, bei ihrer Cousine gewesen. Maria Hofreiter wusste nicht nur, was „Roßboin” sind, sondern schickte auch einen Abzählreim aus ihrer Kindheit mit, mal hieß es salopp, die Frage sei dieses Mal „extraleicht”, ein anderes Mal bekamen wir als lakonische Antwort: „Heute habt Ihr nach Pferdekacke gefragt.”

Was so entsteht, ist ein imaginäres Gespräch mit und zwischen den Lesern, an dem die Redaktion viel Freude hat und von dem wir einige Kleinigkeiten immer wieder gerne berichten. Und natürlich freut uns auch, wenn Leser einfach schreiben, dass das Rätsel eine schöne Idee sei und sie es gerne lesen und lösen.

Einer unserer treuesten Dialekträtsler ist Wolfgang Wilke aus Berlin, der, wie er selbst sagt, der „Tschamstara” (auch danach hatten wir mal gefragt) einer Aichacherin ist und in der Paarstadt als „der Storch aus Berlin” bekannt sei. Leser wie er zeigen damit, dass sich in und mit dem Dialekt Heimatverbundenheit ausdrückt und in die „Fremde” mitgenommen werden kann.

Für ein Gebiet, dass an einer Dialektgrenze liegt, ist überraschend, dass wir bei praktisch jedem Ausdruck, nach dem wir fragen, Antworten aus dem gesamten AZ-Verbreitungsgebiet bekommen, von Oberzeitlbach bis nach Baar, von Tandern bis nach Aindling. Für Bradl ein Beweis dafür, dass es sich „eben doch um einen relativ einheitlichen Sprachraum handelt”.

Ansonsten möchte die AZ-Redaktion noch einer Leserin antworten, die uns schrieb, wir sollen auf jeden Fall mit Öha weiter machen: Das tun wir, versprochen.


Von Berndt Herrmann
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