Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 03.11.2017 12:00

Mehr Geburten, weniger Hebammen

Bei der Podiumsdiskussion  zur Hebammenversorgung in Aichach diskutierten (von links) Simone Strohmayr, die Aichacher Hebamme Dagmar Schmaus, Pia Huber (Zweite Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands), Christina Steinocher (Kreissprecherin) und die ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka gemeinsam mit interessierten Anwesenden.	Foto: Andreas Alt (Foto: Andreas Alt)
Bei der Podiumsdiskussion zur Hebammenversorgung in Aichach diskutierten (von links) Simone Strohmayr, die Aichacher Hebamme Dagmar Schmaus, Pia Huber (Zweite Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands), Christina Steinocher (Kreissprecherin) und die ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka gemeinsam mit interessierten Anwesenden. Foto: Andreas Alt (Foto: Andreas Alt)
Bei der Podiumsdiskussion zur Hebammenversorgung in Aichach diskutierten (von links) Simone Strohmayr, die Aichacher Hebamme Dagmar Schmaus, Pia Huber (Zweite Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands), Christina Steinocher (Kreissprecherin) und die ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka gemeinsam mit interessierten Anwesenden. Foto: Andreas Alt (Foto: Andreas Alt)
Bei der Podiumsdiskussion zur Hebammenversorgung in Aichach diskutierten (von links) Simone Strohmayr, die Aichacher Hebamme Dagmar Schmaus, Pia Huber (Zweite Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands), Christina Steinocher (Kreissprecherin) und die ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka gemeinsam mit interessierten Anwesenden. Foto: Andreas Alt (Foto: Andreas Alt)
Bei der Podiumsdiskussion zur Hebammenversorgung in Aichach diskutierten (von links) Simone Strohmayr, die Aichacher Hebamme Dagmar Schmaus, Pia Huber (Zweite Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands), Christina Steinocher (Kreissprecherin) und die ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka gemeinsam mit interessierten Anwesenden. Foto: Andreas Alt (Foto: Andreas Alt)

Sechs Beleghebammen stehen am Aichacher Krankenhaus zur Verfügung, um die Geburten zu überwachen und den Frauen zu helfen. Das sei eine „sehr schöne Situation”, sagte die Hebamme Dagmar Schmaus, eine individuelle Geburtshilfe sei möglich. Allerdings sei die Arbeit so schlecht bezahlt, dass die Hebammen ihren Lebensunterhalt nur verdienen könnten, indem sie zusätzlich in der Schwangeren- und Nachbetreuung tätig seien. Schmaus fürchtet, dass es nicht gelingen wird, eine neue Hebamme nach Aichach zu holen, wenn eine der sechs aufhören sollte. Trotzdem sagte sie, ihre Arbeitsmotivation sei, dass sie gute Geburtshilfe leisten und sich oft allein um eine Gebärende kümmern könne. Schmaus arbeitet seit 2003 in Aichach. Sie hat inzwischen Frauen erlebt, die zum dritten oder vierten Mal bei ihr ein Kind geboren haben.

Stellvertretender Landrat Peter Feile merkte an, es wäre ein Treppenwitz, wenn Aichach ein neues Krankenhaus in Betrieb nehmen und dann die Geburtsabteilung schließen würde. So geschehen vor einem Jahr in Schrobenhausen. Der Krankenhausbedarfsplan schreibt jedoch laut Feile eine belegmäßige Geburtshilfe in Aichach vor.

Wo liegen nun die Probleme, abgesehen von der schlechten Vergütung? Eines ist laut Christina Steinocher, der Kreissprecherin des Deutschen Hebammenverbands, der hohe Beitrag zur Haftpflichtversicherung für freiberufliche Hebammen. Er übersteigt ihre Bezüge inzwischen bei weitem. Die monatliche Prämie, die 1980 etwa 30 Euro betrug, liegt heute bei mehr als 7500 Euro. Hintergrund ist ausgerechnet der medizinische Fortschritt. Geschädigte Babys haben deshalb eine höhere Überlebenschance, was aber auch viel höhere medizinische Kosten bedeutet. Die meisten Versicherungen sind zudem inzwischen aus dem Geschäft ausgestiegen, was den verbliebenen die Prämiengestaltung erleichtert.

Zwar übernehmen die Krankenversicherungen die Beträge, die Hebammen nicht selbst zahlen können, aber dadurch bleibt von ihren Bezügen in der Geburtshilfe nichts übrig. Zudem schwebt das Damoklesschwert über ihnen, 30 Jahre lang für verschuldete Geburtsschäden haften zu müssen.

Die Frauen arbeiten aber oft in Teilzeit, was im Angestelltenverhältnis an einer Klinik schwierig sei. Eine Hebamme im Publikum sagte, sie sei zuletzt in einem Münchner Krankenhaus beschäftigt gewesen. Bei Dienstbeginn am Morgen habe sie es meist schon mit drei bis vier Frauen zu tun gehabt, die in den Wehen lagen. Geburten ohne Komplikationen seien da nur noch nebenbei mitgelaufen. Wegen dem extremen Stress habe sie mit der Geburtshilfe aufgehört und mache jetzt nur noch Nachbetreuung.

Steinocher betonte, es gebe keine Konkurrenz zwischen Ärzten und Hebammen, sondern idealerweise eine gute Zusammenarbeit. Aber ein Vertrauensverhältnis habe eine Schwangere eher zur Hebamme. Ungut ist die Situation in Aichach vor allem bei der Nachsorge. Rund 350 Kinder, die in Aichach und Augsburg geboren werden, müssen über die Geburt hinaus hier betreut werden. Schmaus räumte ein, sie müsse monatlich drei bis vier Frauen absagen.

Das heißt: Eine Schwangere muss sich möglichst schon um die zwölfte Woche herum um eine Betreuung bemühen. Die Versorgung wird wohl auch deshalb schlechter, weil die Zahl der Geburten steigt. Und es macht sich eben bemerkbar, dass es die Geburtsabteilung im Schrobenhausener Krankenhaus nicht mehr gibt.

Eine eigene Problematik ist die Zunahme von Kaiserschnitten: Sie machen heute schon ein Drittel der Geburten in Deutschland aus. Nicht immer sind sie medizinisch nötig, sondern werden Gebärenden auch schmackhaft gemacht, da sie planbar sind. Hebammen sehen diese Entwicklung aber nicht gern.

„Das Thema muss ins Bewusstsein dringen”, resümierte ASF-Vorsitzende Kristina Kolb-Djoka. „Die Frauen wollen eine Hebamme und nicht die Betreuung durch eine Maschine.”

Am heutigen Freitag sammelt die ASF von 9 bis 12 Uhr auf dem Stadtplatz Unterschriften für eine bessere Hebammenversorgung.


Von Nayra Weber
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