Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 21.07.2017 12:00

Handwerk statt Uni

29 Prozent aller Bachelorstudenten brechen ihr Studium vorzeitig ab, hat jüngst eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ergeben. Hinzu kommen all diejenigen Jungakademiker, die zwar eine lange Liste an Praktika, Auslandssemestern und Zusatzqualifikationen vorzuweisen haben, auf dem Arbeitsmarkt aber nicht gebraucht werden: Denn was nützt schon der beste Abschluss in osteuropäischer Literatur des 18. Jahrhunderts und nordafrikanischer Ethnologie, wenn es dafür keinen Beruf gibt?

Was für Germanisten, Historiker, Theaterwissenschaftler und Kunsthistoriker dann häufig auf den Hochschulabschluss folgt, sind eine langwierige Jobsuche, weitere schlecht bezahlte Praktika und unbefristete Stellen. Frustriert stellt sich bei manchem dann die Erkenntnis ein: „Hätt' ich doch was anderes studiert - oder gleich eine Ausbildung gemacht”.

Für diejenigen, die sich nach dem Abitur für eine Ausbildung entscheiden, stehen die Karrierechancen aktuell gut. Im Bereich des Handwerks hat sich mittlerweile eine einzigartige Situation ergeben: Laut Handwerkskammer Schwaben wird die Nachfolge in Handwerksunternehmen nämlich immer öfter nicht innerhalb der Familie vollzogen. Stattdessen übernehmen tüchtige Meister die (gut gehende) Firma, in denen sie bereits zuvor als Führungskraft gearbeitet haben.

„Abiturienten, die heute eine handwerkliche Ausbildung machen, haben hervorragende Aussichten, selbstständiger Unternehmer zu werden”, sagt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben (HWK). Mit einer meist verkürzten Ausbildungszeit könnten sie sehr schnell die Meisterprüfung machen und innerhalb eines Unternehmens eine Führungsposition, zum Beispiel als Betriebsleiter, einnehmen. Handwerker mit Abitur seien gefragt, weiß der Wagner. Vor allem bei Handwerksunternehmern, die ein hohes Interesse daran hätten, für ihre Betriebe Nachfolger zu finden. Trotz dieser positiven Voraussetzungen beträgt die Abiturienten-Quote im Handwerk bisher nur 7,5 Prozent (Stand 2016) im Landkreis Aichach-Friedberg, schwabenweit liegt der Anteil bei neun Prozent. „Reicht doch”, wird sich der eine oder andere denken, und sich fragen: „Wozu braucht ein Maurer oder Bäcker Abitur, tut's da nicht auch ein bisschen Rechnen und Schreiben?” Falsch gedacht. Denn mittlerweile sind viele Handwerksberufe sehr anspruchsvoll geworden.


Von Thomas Winter
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