Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 25.05.2017 12:00

Dresely-Ausstellung: Pilgerfahrt zu den Farben des Glaubens

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Seit sie 1977 in dem ehemaligen Pfarrhof in Wiesenbach bei Pöttmes ihre Werkstatt eröffnet hat, beschäftigt sich die Textilkünstlerin mit sakralen Themen. Paramente, also Textilien für den sakralen Gebrauch, sind ein wichtiges Kapitel ihres Werkes, das zum Beispiel auch Teppiche, Wandteppiche und Textilbilder umfasst.

Über das Augsburger Projekt sagt die gebürtige Ravensburgerin: „Ich habe Lust gehabt, das, was mich lange bewegt und beschäftigt, in einem Bogen zusammenzufassen.” Aus diesem Impuls lassen sich auch die sechs Ausstellungsorte herleiten: St. Stephan, St. Jakob, der Dom, das Diakonissenhaus, St. Thaddäus und die Altkatholische Kirche Apostelin Junia. An allen sechs Orten gibt es bereits Arbeiten von Dresely, die in den vergangenen 30 Jahren entstanden sind. In St. Stephan beispielsweise einen großen roten Wandbehang, und 1984 hat sie ein Domornat geschaffen - deshalb hat der Dom in dem aktuellen Projekt auch die Farbe Weiß erhalten. Farben strukturieren die Ausstellung mindestens ebenso wie die sechs Orte.

Denn das Motto und den ästhetischen Grundton gibt eine Zeile des griechischen Literaturnobelpreisträgers Odysseas Elytis vor: „Mein Gott, wieviel Blau verschwendest Du, dass wir Dich nicht sehen.” Und auf der Einladung zu Andreas Dreselys Ausstellung steht darunter: „Aber in jeder Farbe offenbart sich die Größe Deiner Schöpfung.”

An jedem der sechs Orte gibt es eine große zentrale, eigens für die Ausstellung geschaffene Arbeit in einer der Farben des Glaubens: Blau, Weiß, Rot, Violett und Grün. Dazu zeigt Andrea Dresely jeweils ältere Arbeiten und greift mit Installationen in den jeweiligen Raum ein. Etwa mit Stoffbahnen oder sternförmig, wie Sonnenstrahlen ausgreifenden Fäden.

Den sechs Hauptarbeiten liegt wiederum jeweils ein Text zugrunde. Gedichte, etwa von Paul Celan, Hilde Domin oder Christine Busta, oder Texte aus der Bibel. Mit der Umsetzung von Sprache in Bilder beschäftigt sich Andrea Dresely seit einigen Jahren. Insofern sind die sechs Arbeiten also Dokumente ihrer aktuellen Werkphase - und weisen doch darüber hinaus beziehungsweise zurück. Denn gleichzeitig sind die sechs Paramente eine Retrospektive im Kleinen. Der Ölbaumzweig aus Hilde Domins Gedicht „Bitte” in dem farbenfrohen Bild in der Altkatholischen Kirche ist in seiner greifbaren Gegenständlichkeit eine Reminiszenz an eine frühere Phase. „So arbeite ich heute eigentlich nicht mehr”, sagt die Künstlern dazu.

Reste dieser weniger abstrakten denn figürlichen Bildlichkeit finden sich auch noch in der Löwenzahnwiese in St. Thaddäus, die Variationen zur Farbe Violett im Mutterhaus der Diakonissenanstalt sind dagegen verwandt mit den Farbflächen ihrer neuesten Arbeiten.

Sehr beeindruckend ist die Umsetzung von Paul Celans Gedicht „Fadensonnen: Fadensonnen über der grauschwarzen Ödnis. / Ein baumhoher Gedanke greift sich den Lichtton: / es sind noch Lieder zu singen / jenseits der Menschen.” Andrea Dresely gelingt eine fast wortgetreue Übersetzung in ihr Stoffbild, die das poetische Potenzial der Sprache ausleuchtet, aber nicht festschreibt.

Der Künstlerin hat es ganz offensichtlich große Freude gemacht, ihr ganzes Repertoire durchzudeklinieren, „den ganzen Koffer aufzumachen”, wie sie es selber nennt, und die verschiedenen Impulse jeweils in ein Werk zu integrieren: also den Raum und was ihn „trägt”, seine Atmosphäre, die Farbe, den Text, ihre schon vorhandenen Arbeiten, und etwas, das zwischen all diesen Elementen mitschwingt.

Die Ausstellung an den sechs Orten ist durchaus als Gesamtkonzept zu verstehen, und wer die Farben und Bilder des Glaubens bei Andrea Dresely erkunden möchte, sollte die Mühe nicht scheuen und alle sechs Orte besuchen. Am besten zu Fuß, um die Bilder und Installationen in der Zwischenzeit wirken zu lassen. So wird der Ausstellungsbesuch zu einer Art Pilgerfahrt. Ein Gedanke, der der Künstlerin gut gefällt: „Ja, so könnte man das verstehen.” Farben, Texte, die Atmosphäre und das, was den Raum trägt, fließen in die Kunstwerke ein

Die Ausstellung „Mein Gott, wie viel Blau verschwendest Du, dass wir Dich sehen” wird am Sonntag, 28. Mai , um 17 Uhr in St. Stephan in Augsburg eröffnet. Zu der Ausstellung gibt es an den Veranstaltungsorten auch ein Rahmenprogramm:

St. Stephan: Sonntag, 18. Juni: ab 10 Uhr Treffen im Klostergarten. 100 Menschen fertigen Freiheitsmützen für eine Installation in der Kirche von St. Stephan zur langen Nacht der Freiheit. Samstag, 24. Juni: 18 bis 24 Uhr Gebete für Frieden und Freiheit, Installation in der Kirche, das Männervokalensemble Quintenzirkel singt Motetten. Sonntag, 2. Juli: 19.30 Uhr, Chor Canzone 11.

St. Jakob: Sonntag, 6. Juni: 19 Uhr, „Auf dem Weg”, Gottesdienst und Betrachtungen zur Jakobsfahne und zum Thema Labyrinth; Installation Begehbares Labyrinth.

Dom: Samstag, 1. Juli: 17 Uhr, Betrachtungen zur Ausstellung; 18 Uhr, Cantate Domino.

Evangelische Diakonissenanstalt-Mutterhaus: Dienstag, 30. Mai: 18.45 Uhr, „Tragen und getragen werden”, Andacht und Betrachtungen zum Thema; Performance: Susanne Niemann.

St. Thaddäus: Freitag, 23. Juni: 21 Uhr, „Die Grünkraft Gottes”, Sommernachtskonzert, Klang, Farben, Spiel mit den Hargonauten und dem Jazzmusiker Stephan Holstein. Samstag, 1. Juli: 21 Uhr, Apostelkonzert, Orgelmusik und Betrachtungen zu den Aposteln.

Altkatholische Kirche Apostelin-Junia-Kirche: Samstag, 3. Juni, 21 Uhr, „Die Vielen vereinigt in Gottes Geist”, Taizé-Gebet zu Pfingsten. Sonntag, 9. Juli: 15 Uhr, Musikduo Ala & Yasar, „polnisch getürkt, getürkt polnisch”.

Führung: Am Sonntag, 9. Juli , kann man eine Führung durch alle Ausstellungsorte mit Andrea Dresely und Abt Theodor von St. Stephan machen. Beginn ist um 10 Uhr in St. Stephan, Ende gegen 16.30 Uhr bei der Altkatholischen Kirche. Die Fahrt erfolgt mit einem Bus. Anmeldung bis Dienstag, 20. Juni, unter 08276/1765 oder per Post an die Baarer Straße 30 in 86554 Pöttmes-Wiesenbach. Der Unkostenbeitrag beträgt zehn Euro. (beh) Andrea Dresely mit einigen Entwürfen für das Kunstprojekt in Augsburg (rechts). Links die Arbeit, die im Augsburger Dom zu sehen ist, in der Mitte eine Installation in St. Thaddäus, wo die Farbe Grün vorherrscht. An der Außenfassade der Altkatholischen Kirche (Foto oben) zeigt Andrea Dresely eine ihrer älteren Arbeiten - die perfekt dorthin passt. Fotos: Berndt Herrmann/ Hans-Jürgen Leutenmayr (3)


Von Berndt Herrmann
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